Kolumne: Einfach sein.

Liebesbriefe von Alice.
„Der Wochenrückblick über Themen, die Alice bewegten.
Immer in Verbindung mit Liebe.“

„Lieber Freund,

was genau ist eigentlich das faszinierende Element zu Beginn eines neuen Jahres? Während ich über die vergangene Woche nachdachte, kam mir auch des Öfteren diese Frage in den Sinn. Wie Du ja weißt gestaltete sich mein persönlicher Jahreswechsel recht ruhig und so verbinde ich kein spektakuläres Ereignis mit diesen Tagen. Ganz im Gegenteil fühlten sie sich für mich dieses Mal wie ein ganz normaler Sonntag und Montag an. Seither vernahm ich dann allerdings wie in jedem Jahr immer wieder ein „frohes Neues“ von den Menschen um mich herum, die auf andere trafen, während ich selbst eher ein „Hau´oli makahiki hou“ von mir gab. Darüberhinaus hegte ich in den letzten Tagen auch immer wieder den Wunsch die Welt zu Fuß zu begehen und mich so mit viel Muße und Gelassenheit draußen zu bewegen. „Einfach sein“ hieß mein Bedürfnis in vielen Momenten des Tages und so bemerkte ich, dass mein faszinierendes Element zu Beginn dieser neuen Zeitrechnung die Ruhe ist. Sie ruft in mir das Bewusstsein wach, was ich mit wahrhaft glücklichen Augenblicken verbinde und weckt die innere Zufriedenheit. Und so freute ich mich auf das Wiedersehen mit den Menschen, die ich zuletzt im vergangenen Jahr sah und stellte mich auch einem Gespräch, um Ungleichgewicht in Gleichgewicht zu verwandeln.

Die Balance zu wahren ist mitunter kein leichtes Unterfangen. Ist das menschliche Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist doch ein in sich filigranes und vielschichtiges Konstrukt. Verändern sich dann noch die äußeren Umstände ohne direkt mit dem Verstehen einher zu gehen, offenbaren sich schon einmal die Schattengefühle der Seele als Spiegel der Vergangenheit, der sauber gemacht werden möchte, um wieder klar zu sehen. Nun herrscht in meinem Leben wieder die Klarsicht und der Genuss des Moments und somit nehme ich Dich nun mit in die Erinnerungen an die Ereignisse und Begegnungen der letzten Woche, die allesamt vom Aloha begleitet waren. Bewusst oder unbewusst, ganz gleich wie es sich verhielt.

In Entbehrung des wöchentlichen Bauernmarktes, der in eine knapp dreiwöchige Winterpause gegangen war, traf ich in diesem Jahr zum allerersten Mal Freitag vor einer Woche auf die doppelnamige Dame, die ich eine Weile nicht gesehen hatte. Mit dem englischen Flair des Covent Garden um uns herum, erzählten wir uns fortan von den Erlebnissen der letzten drei Wochen, während neben mir ein Herr sich mit wissenschaftlichen Gedanken schwer beschäftigte. Liebe lag in der Luft und mit dem Rat nur die nächsten 24 Stunden im Blick zu halten, trennten sich die Dame und ich wieder voneinander. Mein Weg führte in der Dunkelheit der späten Nachmittagsstunden zu einem türkischen Gemüsehändler, der mir als Markt-Alternative diente und ich dort unversehens auf die Anästhesistin aus dem fernen Afrika traf, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Ihr hinterließ ich nach einem kurzen Plausch freudestrahlend noch einen hawaiianischen Neujahrsgruß und begab mich schließlich nach Hause, um für mein leibliches Wohl zu sorgen. Der Abend überraschte mich schließlich mit einem filmischen Werk, das mir bereits im November in den Sinn gekommen war. Dir schrieb ich in „Trotzdem lieben“ von dem zauberhaften Film, der mir nun aus den Tiefen meines Herzens Lachsalven entlockte und die Freude regelrecht übersprudelte. Vielleicht drang mein Lachen sogar durch die Mauern zu den Nachbarn, so überschwänglich gab ich es in vielen Momenten von mir, um dem Glück Ausdruck zu verleihen. Ganz besonders, als die Szene mit dem Energieaustausch tatsächlich vor meine Augen trat, die ich Dir in dem Brief beschrieben hatte. Herrlich, wunderbar und spooky zugleich.

An dieser Stelle unterbrach ich letzten Donnerstag meine weiteren Zeilen an Dich, die ich erst am Freitag wieder aufnahm und um ein Ereignis ergänzte, von dem ich erst in den Vormittagsstunden erfuhr. Das folgende schreibe ich nun, um einem Mann die letzte Ehre zu erweisen, an den ich am Donnerstag dachte, als ich nach sehr langer Zeit im diesem Café auf der anderen Flussseite genau auf dem Platz saß, von dem aus ich den Herrn zum ersten Mal kennenlernte. Heute exakt vor 13 Jahren und fünf Tagen hielt ich an diesem Platz auch zum allerersten Mal meine Beobachtungen um mich herum in einem Buch als Geschichte fest. Am Freitag erfuhr ich dann über die virtuelle Welt, dass der Herr mit dem weißen Haar genau eine Woche zuvor im gesegneten Alter von 90 Lebensjahren diese Welt wieder verlassen hatte. Zoltán von Raggamby-Fluck war mir über viele Jahre ein alter, weiser Freund, der mich lehrte, dass die Seele immer jung bleibt; der mit seiner ungarischen Seele so wunderbar humorvolle Gedichte vortrug; der mir gerne als Meister der alten Schule eine Rose zu unseren Verabredungen mitbrachte; der mir Einblick in sein facettenreiches Leben gewährte, das er sogar eine Zeit lang als Opernsänger durchschritt; der voller Stolz von seinen Söhnen und zahlreichen Enkeltöchtern erzählte, von denen eine sogar an meinem Ehrentag geboren wurde; der mir sein offenes Ohr schenkte; der mich zu sich nach Hause einlud, wo ich mich am Klavier erfreute, das Portrait seiner großen Liebe bewunderte und herzlich über das „il culo del mondo“ im Gäste-WC schmunzelte. Ich werde den großen, mächtigen Herrn mit den buschigen Augenbrauen, Gehstock und imposanten Namen in wunderbarer Erinnerung behalten. In meiner Fantasie betrachtet er nun von dort oben die Welt, trägt dort seine Gedichte vor und schmunzelt sicher über meine Zeilen hier. Unsere Kennenlerngeschichte fand ich am Freitag wieder, die ich Dir nicht vorenthalten möchte.

„Das Café“, Sonntag, der 09. Januar 2005, Nachmittags.

„Interessante Menschen tummeln sich an diesem Ort. Alte, junge, Frauen, Männer, Kinder. Gemeinsam, allein. Manche vielleicht einsam. Alle an einem Ort. „Heute hat die DEG gewonnen. 3:0 gegen Köln.“ Anhänger versammeln sich. Trinken, feiern, reden, freuen sich. Der Lehrer findet keine Ruhe. Die Hefte müssen korrigiert werden, bis morgen. Pläne ändern sich, Gespräche werden wichtiger. Der alte Herr mit dem weißen Haar zwinkert mir zu. Nett. Neugierde wächst am Tisch der Herren. „Was tun Sie da? Kreative Phase?“ In Kontakt treten, kennenlernen, reden, Neugierde befriedigen. Und immer mehr Menschen an diesem Ort. Zu wenig Platz. Manche ganz entspannt. Zurückgelehnt. Beobachtend. In sich ruhend. Gemeinsam, einsam. Geschirr zerspringt. Damen verlassen den Ort. Andere kommen neu hinzu. Neugierde liegt wieder in der Luft. „Was tun Sie da?“ Fragen, aber keine Antworten – noch nicht. Tut der Lehrer doch noch, was er vorhatte? Schichtwechsel. Zahlen bitte.

Der Lehrer sieht sie an. Ungläubig. Er versteht sie nicht. Sie erklärt es ihm. Er versteht sie nicht. „Verfolgst Du mich? Ist das normal? Ein Jahr ist es nun her, seit es zu Ende ist. Lass´das sein. Verfolge mich nicht. Reise mir nicht hinterher. Lass´mich in Ruhe. Es ist vorbei.“ Ja, es ist vorbei. Sie sieht ihn an und verspricht es ihm. Friede. Sie geht. Am Tisch der alten Herren wird geredet und gelacht. Die zwei Damen amüsieren sich. Sie trinken. Wein. Ein Flirt liegt in der Luft. Alter schützt vor Torheit nicht. Und immer weniger Menschen an diesem Ort. Es wird Zeit zu gehen. Zahlen bitte.“

Die Schmetterlingsdame erinnerte mich in diesem Zusammenhang noch an ein Filmzitat aus der Verfilmung „Liebe braucht keine Ferien.“, in der ein betagter Herr und Hollywood-Autor zu der Begegnung mit einer jungen Dame folgenes verlauten lässt: „Das war ein süßer Spontantreff… Auf diese Weise lernen sich zwei Figuren in einem Film kennen: Sagen wir, ein Mann und eine Frau brauchen etwas, das sie zum Schlafen anziehen. Und sie gehen beide in die Herrenabteilung für Pyjamas. Und der Mann sagt zum Verkäufer: „Ich brauche bloß die Hose.“ Und die Frau sagt: „Ich brauche bloß das Oberteil.“ Sie sehen sich an und das ist dann das süße Spontantreffen.“ Das hätte Zoltán gefallen.

Am Samstag vor einer Woche traf ich dann zum ersten Mal in diesem Jahr auf den jungen Mann aus Nordafrika, seines Zeichens Michael Jackson und Doppelagent an meinem Ehrentag. Am Vormittag fand ich endlich die Zeit um seine fotografischen und filmischen Aufnahmen von der Überraschungsparty anzuschauen, die mich zum Schmunzeln brachten und wunderbare Erinnerungen wachriefen. Nun unterhielten wir uns nochmals darüber, lachten herzhaft über die Qualität seiner fotografischen Fähigkeiten und über das „Wer bin ich?“-Spiel in der Partynacht, das auch offenbarte, dass ich mit Caesar geschlafen habe und dieser ganz verwirrt schaute, da er/sie sich nicht daran erinnerte. Verantwortungsgefühle in der Silvesternacht, der Film „Cocoon“ und der Erwerb eines Klaviers kamen ebenfalls zur Sprache bis unsere Wege sich wieder trennten.

Der Hafen lockte mich dann am Sonntag mit der Aussicht auf einen äußerst gestiegenen Wasserpegel  sowie mit dem Vorhaben den letzten Herz-Ballon mit einer Aloha-Botschaft in die Luft steigen zu lassen. Vor Ort bestaunte ich zunächst die hoch oben liegenden Yachten in der Marina, die ich nun auf Augenhöhe vor der Gebäudekulisse betrachten konnte und manches im Bild festhielt. Dann begab ich mich auf die naheglegene Fußgängerbrücke, um dort den Ballon fliegen zu lassen. Eisiger Wind trat mir stürmisch entgegen und forderte mich dabei heraus den Flug filmisch zu dokumentieren. Das Ergebnis präsentierte sich dann in einer extrem knappen 1-Sekunden-Sequenz mit knallroter Großaufnahme des flatternden Ballons vor Abflug und einem 13-Sekunden-Film mit klitzekleinem Ballon Richtung Horizont vor der Hafenkulisse, dem ich noch den letzten Schliff verlieh und einen Bridge to Hawaii-Schriftzug hinzufügte, der sich nun herrlich aus- und einblendet. Voller Vergnügen schickte ich das Werk später in die virtuelle Welt hinaus, in der ich auch mit neuen Menschen in Kontakt trat, um Bridge to Hawaii mehr Leben einzuhauchen.

Am Montag schloss sich dann eine regelrechte Bridge to Hawaii-Tour an. So schwang ich mich am späten Vormittag auf meinen Drahtesel, um Pablo Picasso zu treffen, nun ja… den Herrn, der dieses Alter Ego in der Partynacht inne hatte und nun bei dem virtuellen Auftritt des Projekts behilflich sein wollte. Mit neuen Möglichkeiten und einem knallroten Filz-Herz mit einer nachträglichen Geburtstagsaufmerksamkeit verabschiedete sich der Herr und ich wechselte den Platz. Dies führte zu einem netten Gedankenaustausch mit der eleganten, 20er-Jahre behüteten und betagten Dame neben mir. So unterhielten wir uns über die Goldschmiedekunst im beiderseitigen Familienkreis, über architektonische Jugenderinnerungen meinerseits in ihrer Heimatstadt und über Bridge to Hawaii. Zum Abschied überreichte ich ihr als Erinnerungsstütze noch einen Logo-Aufkleber und verweilte noch einen Moment. Am Abend ergab sich dann noch ein aufschlussreiches Gespräch mit einem jungen Mann per Fernsprechapparat und so darf ich an dieser Stelle mit Stolz verkünden, dass wir nun Besitzer einer eigenen bridge2hawaii.com-Internetadresse sind, die bald mit Inhalten gefüllt wird.

In den folgenden drei Tagen bekam das „il dolce far niente“ dann genügend Raum, balancierte meinen Bewegungsdrang bis an andere Ufer aus, belohnte mich mit herrrlichen Aussichten auf den Brücken der Stadt und unterstützte die reinigende Wirkung eines Gedankenaustauschs mit der beflügelten Dame. So schenkte mir auch eine marrokanisch verwurzelte Dame neugierig und begeistert ihr Ohr für die Belange rund um Bridge to Hawaii und Gewohnheiten mit Schmetterlingsdame fanden wieder Einzug in alltägliches. Verbundenheit braucht Erinnerung und Erinnerung braucht Erlebnis. Mit diesen Worten beschließe ich für heute meine Zeilen an Dich, ohne zu versäumen Dir noch von den Prophezeiungen für dieses Jahr zu erzählen, die das Dienen in den Vordergrund stellen, vom Reisen in andere Länder berichten und vorhersagen, dass die Dinge sich einfach von selbst fügen und zu einem Lächeln bis über beide Ohren führen. Wundervoll.

Aloha,

Alice

PS. Last but not least hinterlasse ich Dir noch das folgende Zitat von Nelson Mandela.

„We must always remain modest about our achievements.“

Über Alice Zumbé

Wer bin ich? Meine immer währende Neugierde auf Menschen aller Art gab schnell den Weg zur Portraitmalerei frei. Jedoch auch andere Facetten meines Lebens führten zu zahlreichen Interessensgebieten. Immer mit dem Blick was draussen passiert - sowohl im Detail als auch im großen Ganzen. Es bleibt spannend in der Welt.
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