Kolumne: Out of control.

„Liebesbriefe von Alice.“
„Der Wochenrückblick über Themen, die Alice bewegten.
Immer in Verbindung mit Liebe.“

„Lieber Freund,

vor zwei Tagen saß ich im Park – genauer betrachtet in einem wunderschönen Stadtgarten, der sich in seiner gesamten Pracht zeigte. Es herrschten herrliche, warme Frühlingstemperaturen, die zu offenem Schuhwerk und leichter Bekleidung verführten. Der Himmel offenbarte sein schönstes Blau und die Sonne strahlte mit mir um die Wette ohne dass wir dafür einen Preis aushandeln mussten oder gar darum konkurriert hätten. In einem Park-Café fühlte ich mich zuvor eingeladen meine tägliche Kaffee-Ration zu mir zu führen und dabei die wärmenden Sonnenstrahlen zu genießen, die mich auch zum Schwitzen brachten bis mich mein Weg zu meinem eigentlichen Ziel geleitete. Auf dem Fahrradbummel dorthin ging es vorbei an weiten Wiesen, sprießenden und blühenden Bäumen und Gewässern, in denen sich artenreiche, gefiederte Freunde tummelten. Ein besonders imposantes Wesen veranlasste mich sogar anzuhalten und ihm eine Weile dabei zuzuschauen wie es mit absoluter Gewissenhaftigkeit sein Federkleid reinigte. Dabei bog sich der lange Hals des weißen Geschöpfs unvergleichlich in die erforderlichen Richtungen, bis es ab und an seine immensen Schwingen auseinanderbreitete. So beflügelte es wohl schon oft die menschliche Fantasie, die sich unter anderem in Märchen und Mythen wiederfand und auch an seine Allegorie für Reinheit glaubte. In jedem Fall war es schön anzusehen und mir gefielen die Erzählungen zu den Schwanfrauen aus der germanischen Mythologie sowie das Sinnbild der Seele, für das der weiße Vogel bei den Druiden stand. Beschwingt führte ich meinen Weg fort, bis ich schließlich auf der Terrasse eines Cafés ankam, das bekanntermaßen an diesem Tag seine Tore geschlossen hielt. Mein Ziel war die Ruhe an den leeren Sitzbänken um mich herum, um meinen Brief an Dich zu beginnen. Doch hatte ein festgelegter Plan, wie schon des Öfteren in meinem Leben, letztlich wohl eher die Aufgabe mich zu lehren jegliche Kontrolle für den Moment aufzugeben und die Veränderungen, die an mich herantraten, herzlich willkommen zu heißen.

Dies setzte ich sogleich dann auch in die Tat um und fand mich in einem anregenden Gespräch mit einem Herrn wieder, der ein paar Tische entfernt Platz genommen hatte, um dort eigentlich seinen Pflichten als Vertreter der lehrenden Zunft nachzukommen. Spannende Ansichten zum Politik-Bewusstsein flügge gewordener, junger Menschen und eigenen Eindrücken wurden ausgetauscht und beflügelten meine Fantasie zu weit mehr, als diesen Gesprächsfaden. Eine abrupte Unterbrechung veranlasste uns an einen Tisch zusammenzurücken, um unbeteilgte nicht zu stören und fortzuführen was wir begonnen hatten. Wenig später gesellten sich jene jungen Wilden dazu, die von dem Herrn in die Bedeutung politischen Handelns eingewiesen werden wollten. Ihre Zeit war gekommen und so endete meine Begegnung mit dem „Pauker“ für den Moment an diesem Ort, der mit dieser schönen Überraschung für mich aufgewartet hatte.

Den Bogen wieder zurückgespannt, möchte ich weiter dort anknüpfen, wo Dich tags zuvor mein letzter Brief erreichte. Am Morgen dieses Donnerstags erreichte mich ein musikalischer Dankesgruß einer jungen Dame mit hawaiischen Wurzeln, der ich mein Ohr für ihre Belange geschenkt hatte. Zum gleichen Zeitpunkt war meine Seele mal wieder schneller als mein Verstand und spülte seltsame Gefühle hoch, die mich dazu brachten inne zu halten – solange wie es brauchte sie zu verstehen oder sie einfach zuzulassen. Es war wieder einmal Zeit sich zu sammeln, für eine Weile die Seele baumeln zu lassen und die Orientierung wieder zu finden. Das „Hawai´i Aloha“ war ein guter Einstieg und weckte meine Neugier – und nicht nur weil „Aloha“ „Liebe“ bedeutet. Dahinter verbarg sich ein Musikprojekt der non-profit Organisation Mana Maoli, die wiederum für einen Zusammenschluss von Menschen mit hawaiischen Wurzeln stand, die eine Schule gründeten. Künstler, Musiker, Lehrer, Familien, Gemeinde-Vertreter und Kulturschaffende fanden zusammen, teilten eine Vision, die das Bewusstsein für die Kultur und das Aloha für Hawaii fördert und die Verbindung zu den Herausforderungen zukünfigen Zusammenlebens schafft. Dies erinnerte mich etwas an meine Erzählungen zum „Brutto-Nationglück“ des Drachenreichs, weil es für mich ebenfalls für Liebe und Glück steht.

Andere Kulturen und ihre Menschen zu entdecken bereitet mir große Freude und ich liebe es von ihnen zu lernen, Verbindungen zu knüpfen und dann vielleicht sogar wunderbare Geschichten mit ihnen zu erleben. Manches Mal reiste ich dafür in weit entfernte Länder, an deren Stränden ich zum Beispiel von einer Begegnung mit einem alten, weisen Aborigine überrascht wurde und manches Mal trat ich einfach aus der Haustür heraus, um mich in der näheren Umgebung auf Entdeckungsreise zu begeben. So fand ich mich vor ein paar Tagen eine Zeit lang im „Land der aufgehenden Sonne“ und im „Land der Gegensätze“ wieder, denn was uns Menschen doch alle eint, ist die Beschäftigung mit den kulinarischen Seiten unseres Lebens. Und waren es nicht die Botschafter des „glücklichsten Volkes der Welt„, die einst davon sprachen wie bedeutend das gemeinsame Mahl ist, da es den Ausdruck von Liebe und Respekt symbolisiert!?

Letzten Samstag machte ich dann die Bekanntschaft mit der Österreicherin Marie-Louise, die allerdings schon vor über 160 Jahren von dieser schönen Welt gegangen war. Mich beschäftigte eine ganze Weile ihr Abbild in Form einer Büste, denn nach über einem Jahr nahm ich an diesem Tag, an dem ich auch den Weihnachtsmann und andere liebgewonne Menschen wiedertraf, den Stift zum Zeichnen in die Hand. Dass meine Wahl auf diese junge Dame fiel lag zunächst an dem Umstand, dass sie in Verbindung zu Napoleon sowohl zu Lebzeiten als auch nun neben seiner Büste stand. Frankreich und Österreich, zwei Nationen, zwei Kulturen, die sich über diese zwei Menschen eine Zeit lang zusammenschlossen – doch blieb die Liebe dabei auf der Strecke und somit konnte das Glück in keinerlei Weise Einzug in dieses Bündnis halten. Die Dame verstarb am 17. Dezember fünf Tage nach ihrem 55. Geburtstag und auf den Tag genau 120 Jahre vor meiner Geburt.

Eine Verbindung, die absolut von Liebe und Glück getragen ist, nahm dann am Abend überraschend neben mir Platz. Mein Sohn leistete mir Gesellschaft und wir widmeten uns einer Dokumentation über eine betagte Dame und ihrem noch betagterem Gefährt, die zur Zeit die Welt bereist. Ihr Name erinnerte mich an eine berühmte Protagonistin in einem Kinderbuch einer Schweizer Schriftstellerin, die von deren Abenteuer auf einer Alp, ihrem Freund Peter und dem Großvater erzählte. Nun saßen wir mit dem Popo auf dem Sofa, als besagte ältere Dame gerade davon sprach, dass man gefälligst seinen Popo von der Couch erheben solle, um nicht das abenteuerliche Leben anderer in der Flimmerkiste zu bestaunen, sondern um das eigene Abenteuer zu erleben. Wo sie Recht hat, hat sie Recht – doch alles zu seiner Zeit. Wo Schatten fällt, fällt auch Licht – denn erst mit unserem Popo auf der Couch konnten wir die Dame entdecken und uns zu eigenen Abenteuern inspirieren lassen.

Andere Menschen, andere Kulturen, andere Länder – übrigens wird heute Lailat al Miraj von vielen Menschen gefeiert. Die sogenannte „heilige Nacht“, die auch dafür steht Gutes zu tun. In diesem Sinne verabschiede ich mich für heute bei Dir mit einem fröhlichen Aloha, Servus, Au revoir, Goodbye, Sayonara, Alavida, Iilaa Allliqa, Uf widerluege und Log Jay Gay.

In Liebe,

Alice

PS: Die folgenden Zeilen eines mir unbekannten Menschen fielen mir wieder in die Hände und ich reiche sie nun an Dich weiter.

„Not everyone will understand your journey. That´s fine. It´s not their journey to make sense of. It´s yours.“

Über Alice Zumbé

Wer bin ich? Meine immer währende Neugierde auf Menschen aller Art gab schnell den Weg zur Portraitmalerei frei. Jedoch auch andere Facetten meines Lebens führten zu zahlreichen Interessensgebieten. Immer mit dem Blick was draussen passiert - sowohl im Detail als auch im großen Ganzen. Es bleibt spannend in der Welt.
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